«Die schlimmste und verbreiteste Krankheit, die uns alle, unsere Literatur, unsere Erziehung, unser Verhalten zueinander durchseucht, ist die ungesunde Sorge um den Schein.»

Tagebuch, 1876

Sämtliche Mächte waren unaufhörlich am Werk,
um mich zu vervollkommnen, mich zu erfreuen.
Hier steh ich nun, an diesem Ort, mit meiner robusten Seele.


:


Fernab vom Ziehen und Zerren
steht was ich bin.

Steht da, amüsiert, selbstzufrieden,
mitfühlend, träge, in sich geschlossen,

blickt herab, steht aufrecht oder beugt den Arm
auf einen gewissen, nicht greifbaren Rest,

neigt den Kopf zur Seite, wartet mit
neugierigem Blick auf das, was kommt.

Ist mit im Spiel und doch nicht, sieht zu
und wundert sich.


:

Hör auf damit, Dinge aus zweiter oder dritter Hand zu übernehmen
oder die Welt mit den Augen von Toten zu betrachten
oder von den Schemen aus Büchern dich zu nähren.
Auch durch meine Augen betrachte nichts, und übernimm
nicht von mir.
Lausche vielmehr nach allen Seiten, und was du hörst,
das filtere durch dein Selbst.


:


Ich glaube es fiele mir nicht schwer, unter Tieren zu leben.
Sie sind so still und genügsam.
Lange kann ich dabei verweilen, ihnen zuzusehen

Sie rackern sich nicht ab, sie jammern nicht,
wie schlecht sie dran sind.
Sie wälzen sich nachts nicht im Bett, um ihre
Sünden zu beklagen.
Sie öden mich nicht an, indem sie mir ihre Pflichten
gegenüber Gott darlegen.
Keines von ihnen ist unzufrieden, keines infiziert vom Wahn, etwas besitzen zu müssen, keines beugt vor seinen Artgenossen das Knie, auch nicht vor irgendeinem der
seit Jahrtausenden tot ist.
Keines hat einen Ruf zu verlieren, keines von ihnen ist unglücklich über diese Welt




Walt Whitman (1819 - 1892)